Germering. Bebop ist die Musik der Revolte. Schrieb zumindest Scott DeVaux. Aber hat die Revolte auch tatsächlich und spürbar stattgefunden? In kleineren, eingeschworenen Kreisen diskutiert man diesen Fakt positiv. Wer genau hinhört, erkennt auch seit Beginn der frühen 1950er Jahre deutliche Veränderungen in der Musiklandschaft und hier speziell im Jazz. Damals ist der Terminus Modern eingezogen. Doch Massenbewegungen samt sozialem Sprengstoff hat der Bebop ganz sicher nicht ausgelöst. Dafür war und ist er zu speziell – für manch einen Rezipienten zu komplex.
Zu den Wegbereitern gehörten Dizzy Gillespie, Fats Navarro, Charlie Parker - bis heute Favoriten aus dem engeren Kreis von Claus Raible, natürlich neben den Pianisten.
Der Münchner Klavierspieler Raible fühlt sich diesem intensiven Klangbild verpflichtet. Ständige Harmoniewechsel, rhythmische Verlagerungen und überraschende Intervallsprünge sind für ihn Herausforderung und Erfüllung seines Musikideals schlechthin. Am Freitag gastierte der Pianist mit seinem Trio in der Germeringer Stadthalle. Nicht zum letzten Konzert unter der künstlerischen Regie von Hans-Jürgen Schaal. Eines folgt noch. Aber dazu später.
Claus Raible, ein Klavierspieler, der all die Tugenden in sich vereint, die einen leidenschaftlichen Bebopper ausweisen: Schnell am Instrument, verspielt in den Harmonien, Querverbindungen zwischen den Rhythmen schaffend, melodisch manchmal fast eingängig, eben immer ein wenig verrückt – vom Mainstream.
Und natürlich zitiert er die Großen der Zunft, die Genies, Propheten und Revolutionäre, wie Monk und Powell und Dameron. Aber auch das kreative Kraftwerk Coleman Hawkins fehlt in seinem Repertoire nicht, oder der aus Polen stammende und in Los Angeles als Filmkomponist große Erfolge feiernde Bronis?aw Kaper. Raibles eigene Kompositionen sind in Anlehnung an diese Heroen entstanden, atmen den Geist des Bebop, sind weniger kantig, dafür fließend und virtuos. Und in der Seele des Jazz, im Blues, erfindet der Pianist die Langsamkeit neu, zeigt auf, wie weniger tatsächlich mehr und Tradition zugleich auch Avantgarde sein kann.
Diese Musik braucht einen Fels in der Brandung. Claus Raible besitzt ihn in Form seines Bassisten Giorgos Antoniou. An ihm bricht die Gischt vertrackter Passagen, er hält die Zeit, flutet die Musik mit griffigen Läufen. Ein Magier der rhythmischen Zwischenräume, der auf hervorragende Weise mit Schlagzeuger Xaver Hellmeier korrespondiert. Dieser trommelt die Musik mit Intensität vor sich her, raffiniert wie zielstrebig, mit jeder Menge Drive und Swing. Insgesamt: Ein Trio in Hochform.
Das Publikum verdankt diesen musikalisch leidenschaftlichen Abend Hans-Jürgen Schaal, der seit 2007 „Jazz It“ künstlerisch betreut und mit dem Claus Raible Trio das 118. Konzert dieser Reihe präsentierte. Eines wird noch folgen (15. Dezember mit Philip Catherine & Martin Sasse), dann übernimmt Sven Faller diese herausfordernde Aufgabe.
Jörg Konrad