Bassist Tom Jenkins hat, bevor er unter dem Pseudonym Squarepusher begann futuristische Drum’N’Bass Beats, Ambient-Soundscapes und Jazz zu kreuzen, Kunst am College of Art and Design in Chelsea studiert. Vielleicht war dies der Grund für seinen Mut, über alle stilistischen Grenzen hinweg Musik aufzusaugen und sie in einem völlig neuen Kontext zu gestalten und in Clubs zu präsentieren.
Mit Sicherheit spielt auch die Schnelllebigkeit der sich stetig verändernden Welt Mitte der 1990er Jahre eine entscheidende Rolle. Denn der Squarepusher-Sound war (und ist) geprägt von hochenergetischer Spannung, ständigen Harmoniewechseln, sich überschlagenden Rhythmuspattern, stolpernden Beats, dröhnenden Synthesizer-Flächen und Bass-Improvisationen. Es klingt häufig wie das manuelle Durchpflügen von Kurzwellenbändern im Radio, mit all den an- und abschwellenden Störgeräuschen und dem Einfluss nehmenden Funkwettern („Das erste wirkliche Interesse, das ich entwickelte, war die Musik. Ich stellte mal diesen Radiosender ein und mal jenen, immer war ich auf der Suche nach Musik, die mir gefiel“, Interview Squarepusher 2021, Zeitschrift GROOVE).
Sein neustes Album „Dostrotime“, wie ein Großteil der Vorgänger beim unabhängigen englischen Label WARP erschienen, geht diesen experimentellen Weg konsequent weiter. Squarepusher spielt mit unterschiedlichsten, gesampelten Versatzstücken, dreht die Geschwindigkeit der Beats gnadenlos in die Höhe und schafft damit eine fiebrige Unruhe im Avantgarde- und Progressive-Jazz-Style. Diese Art Musik ist ein eklektischer Gegenentwurf zum hochdotierten, letztendlich aber manipulierten Mainstreampop heutiger Prägung. Squarepusher integriert, zertrümmert, individualisiert und evolviert die Musikszene als Ganzes und aktualisiert damit den einstigen Revolutionsgedanken zeitgenössischer Popmusik.
Jörg Konrad
Squarepusher
„Dostrotime“
WARP