„Life Goes On“
So einfach, so klar, so schön – kann Musik sein. „Life Goes On“ heißt das neue Album des Trios Carla Bley, Andy Sheppard und Steve Swallow. Drei Suiten, deren Melancholie das Herz öffnen, deren hintergründiger Humor anregend wirkt, deren Fragilität betroffen macht. Es bedarf schon gewaltiger Erfahrung und spieltechnischer Sicherheit, derart spartanisch musikalische Leidenschaften in die Praxis umzusetzen. Das Titelstück als vierteiliger Blues ist eine Offenbarung an Reduktion. Keine Note zu viel, kein Ton zu wenig und trotzdem finden Ästhetik, Eleganz und Ursprünglichkeit einen gemeinsamen Ausdruck. Blues als Kammermusik, bei dem der Fluss des geistigen Austauschs in ständiger Bewegung ist.
Das ganze Album ist ein instrumentales Gespräch, sparsam, aber von höchster Effizienz. Carla Bleys Klavierspiel beeindruckt trotz ihrer Leichtigkeit in der Schärfe der Konturen und den ausgeführten Wendungen. Andy Sheppard spielt das Saxophon wenig virtuos, stattdessen inspiriert, nuanciert mit einem philosophischen Unterton. Und Steve Swallow ist am elektrischen Bass der gewohnt raffinierte Diplomat im Sinne der Gesamtmusik. Er hält zusammen, was zusammen gehört, stoisch, trotzig, elegant.
„Life Goes On“ kann in dieser Besonnenheit nur spielen, wer sich lange und gut kennt. Das Trio existiert seit über einem Vierteljahrhundert. Steve Swallow hat sich schon vor sechs Jahrzehnten den Kompositionen der Pianistin Carla Bley gewidmet. Neugierde und Aufgeschlossenheit sind sowieso die lebensbestimmenden Maxime aller drei Solisten. Ein Album voller Würde und Kurzweil.
Jörg Konrad
(KultKomplott im März 2020)
Carla Bley, Steve Swallow, Andy Sheppard am 25. Mai 2014 in Dachau
Als Gary Burton sich im Dezember 1975 im Ludwigsburger Studio Bauer mit den Mitmusikern seiner neuen Band traf, um „Dreams So Real“ einzuspielen, hatte er sich im Vorfeld ausnahmslos für Kompositionen von Carla Bley entschieden. Schließlich galt die New Yorkerin schon in jenen Jahren als eine der genialsten Tonsetzer. Zum Burton-Quintett gehörten damals der gerade einmal 21jährige, noch völlig unbekannte Pat Metheny und Steve Swallow an der E-Bassgitarre. Es war Swallows erste intensivere Auseinandersetzung mit der Musik Carla Bleys.
Mittlerweile gibt es kaum Aufnahmen der Grande Dame am Jazz-Piano ohne ihn. Egal ob im Duo, im Quintett, in Big Band-Besetzung, oder, wie am gestrigen Sonntag in Dachau, im Trio: Fast immer ist der rhythmisch verlässliche, fruchtbaren Boden pflügende Tieftöner nah an ihrer Seite. Auch privat!
In Dachau waren beide, gemäßentsprechend ihrer letzten Einspielung für ECM München, zu Gast im Trio. Andy Sheppard, der englische Saxophonist, dessen erstes eigenes Album 1987 übrigens von eben diesem Steve Swallow(!) produziert wurde, ist, bei aller musikalischen und persönlichen Nähe von Bley und Swallow, so etwas wie der Dreh-und Angelpunkt dieser Formation. Denn das, was die Pianistin an Akkorden und Harmonien so makellos schichtet und was der Bassist mit rhythmischer Finesse so fragmentarisch unterlegt, verbindet der Saxophonist mit spielerischer Eleganz.
Ihre manchmal leicht sperrigen Vorlagen und verletzt klingenden Dissonanzen haben Charme, wirken in ihrer Unvollkommenheit kultiviert und erinnern entfernt an einen stillen Gruß von Th. Monk, dem Jazz-Genie. In diesem Trio gibt es keine Gipfelstürmer. Es sind eher kammermusikalische Rituale, die trotz Blues und Latin enorm europäisch klingen. Entschleunigte Metamorphosen, so lyrisch wie fesselnd, mit unglaublicher Suggestivkraft umgesetzt. Hier spielt das Diktat der Erfahrung, in dem Klugheit, Empathie, Virtuosität, Humor und intellektuelle Leidenschaft Hand in Hand gehen.
Jörg Konrad
Als Gary Burton sich im Dezember 1975 im Ludwigsburger Studio Bauer mit den Mitmusikern seiner neuen Band traf, um „Dreams So Real“ einzuspielen, hatte er sich im Vorfeld ausnahmslos für Kompositionen von Carla Bley entschieden. Schließlich galt die New Yorkerin schon in jenen Jahren als eine der genialsten Tonsetzer. Zum Burton-Quintett gehörten damals der gerade einmal 21jährige, noch völlig unbekannte Pat Metheny und Steve Swallow an der E-Bassgitarre. Es war Swallows erste intensivere Auseinandersetzung mit der Musik Carla Bleys.
Mittlerweile gibt es kaum Aufnahmen der Grande Dame am Jazz-Piano ohne ihn. Egal ob im Duo, im Quintett, in Big Band-Besetzung, oder, wie am gestrigen Sonntag in Dachau, im Trio: Fast immer ist der rhythmisch verlässliche, fruchtbaren Boden pflügende Tieftöner nah an ihrer Seite. Auch privat!
In Dachau waren beide, gemäßentsprechend ihrer letzten Einspielung für ECM München, zu Gast im Trio. Andy Sheppard, der englische Saxophonist, dessen erstes eigenes Album 1987 übrigens von eben diesem Steve Swallow(!) produziert wurde, ist, bei aller musikalischen und persönlichen Nähe von Bley und Swallow, so etwas wie der Dreh-und Angelpunkt dieser Formation. Denn das, was die Pianistin an Akkorden und Harmonien so makellos schichtet und was der Bassist mit rhythmischer Finesse so fragmentarisch unterlegt, verbindet der Saxophonist mit spielerischer Eleganz.
Ihre manchmal leicht sperrigen Vorlagen und verletzt klingenden Dissonanzen haben Charme, wirken in ihrer Unvollkommenheit kultiviert und erinnern entfernt an einen stillen Gruß von Th. Monk, dem Jazz-Genie. In diesem Trio gibt es keine Gipfelstürmer. Es sind eher kammermusikalische Rituale, die trotz Blues und Latin enorm europäisch klingen. Entschleunigte Metamorphosen, so lyrisch wie fesselnd, mit unglaublicher Suggestivkraft umgesetzt. Hier spielt das Diktat der Erfahrung, in dem Klugheit, Empathie, Virtuosität, Humor und intellektuelle Leidenschaft Hand in Hand gehen.
Jörg Konrad
(KultKomplott im Mai 2014)