Nachdem in Kosmos 102 in Bezug auf die internationale Raumfahrt die Frage nach der Perspektive der ISS gestellt wurde, bietet sich der Blick in die Zukunft der astronomischen Forschung als weiterführendes Thema geradezu an.
Hier sind es zwei Bilder, die im Gegensatz zur bemannten Raumfahrt, alle forschenden Astronomen hoffnungsvoll nach vorn schauen lassen. Während das eine Bild in der chilenischen Atacama-Wüste in einer der trockensten Regionen der Erde aufgenommen wurde, entstand das andere Bild in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung von unserem Heimatplaneten. Aber der Reihe nach:
Vor genau 60 Jahren wurde die Forschungsgemeinschaft ESO (European Southern Observatory) in Garching bei München gegründet. Es ist der Zusammenschluss von mittlerweile 16 Nationen, deren gemeinsames Ziel die Errichtung von Großteleskopen auf der südlichen Hemisphäre ist. Nachdem schon früh die Wahl des Standortes auf die fast menschenleere Trockenwüste am Rande der chilenischen Anden fiel, konnten im Verlaufe der Jahrzehnte mehrere Großprojekte geplant, projektiert und baulich umgesetzt werden. Zunächst wurde 1977 das ESO-3,6-m-Teleskop installiert und galt lange als Vorzeigeobjekt, bis man im Jahr 1989 das New Technology Telescope errichtete. Dieses später nur kurz NTT genannte Projekt setzte zum ersten Mal für den 3,5m großen Hauptspiegel zusätzliche optische Korrektursysteme ein. Diese bahnbrechenden adaptiven bzw. aktiven Optiken sind zwar heute Standard, doch mutete einst das Vorhaben, den tonnenschweren Hauptspiegel durch kleine Aktuatoren ständig in Bewegung zu halten und so die Luftunruhen perfekt auszugleichen, absolut futuristisch an. Beide Teleskope arbeiten noch heute sehr erfolgreich auf dem Berg La Silla.
Da man mit dieser Technik und immer dünneren, bei Schott in Mainz gegossenen Hauptspiegeln nun gute Erfahrungen gemacht hatte, wurde ein weiteres Großvorhaben der Superlative auf dem benachbartem Berg Cerro Paranal realisiert: Insgesamt vier große Spiegel mit unglaublichen 8,2m Durchmesser bei einer Dicke von gerade einmal 22 cm sollten gemeinsam in 3500m Höhe entstehen. Dieser auch Array genannte Teleskop-Zusammenschluss war nie zuvor so gebaut wurden, doch das Vorhaben gelang trotz gewaltiger Mühen in beispielhafter Art und Weise. So mussten zum Beispiel die vier in Europa gefertigten Hauptspiegel zunächst per Spezialschiff nach Antofagasta und dann mit eigens konstruierten Tiefladern von dort bis in die Hochwüste geschafft werden. Nach 15jähriger Bauzeit gab es das „First Light“, was in der Sprache der Astronomen der Moment des ersten empfangenen Bildes ist. Noch heute gilt es als das größte Teleskop der Erde. Mit dem VLT (Very Large Telescope) wurden Aufnahmen getätigt, die neben dem Hubble Space Teleskop zu den bedeutsamsten ihrer Art in der Astronomie zählen. Unter https://www.eso.org/public/images/ kann man sich inzwischen hunderte großartiger Fotos ansehen.
Damit schien die Grenze des Machbaren erreicht zu sein. Doch ein besonders Foto zeigt nun, dass ein noch gewaltigeres Großprojekt langsam konkrete Formen annimmt. Vom neuen ELT (Extremly Large Telescope) steht bereits das äußerst aufwendig gestaltete Fundament. In diesem sind bereits etliche der Aktuatoren, die später die gewaltige 2800 Tonnen schwere Konstruktion aus Grundmontierung, Primär-und Sekundärspiegel tragen soll.
Im Jahr 2027 soll das „First Light“ auf insgesamt 798 Wabenspiegel fallen, die im Array eine gigantisch anmutende Spiegelfläche von fast 40 Metern erreichen sollen. Dieses „neue Auge der Menschheit“ auf dem Cerro Armazones soll all ihre Vorgänger, was Auflösungsvermögen und Bildschärfe betrifft, in den Schatten stellen. Und genau diese Extreme zeigt das Bild https://elt.eso.org/public/archive_webcams/armazonespanoeast/public/poi/preset_100.jpg in Form eines atemberaubenden Panoramas. Wie man sich die fertiggestellte Konstruktion dann vorstellen könnte, zeigen diese künstlerischen Darstellungen: https://fis-landschaft.de/universum/elt/
Doch nun von der Erde in weite Ferne. Ein eigentlich nur als Korrekturaufnahme gedachtes Bild lässt die Astronomen in Verzückung geraten. Am 19.März veröffentlichte das Imaging-Team des gerade in Dienst gestellten neuen Weltraumteleskops ein Bild, das unmittelbar nach der Fokussierung der insgesamt 18 hexagonalen Einzelspiegel des mittlerweile in 1,5 Millionen Entfernung von der Bodenstation positionierten James Webb Space Telescope empfangen wurde. Auf den ersten Blick scheint der avisierte Stern mit dem epischen Namen 2MASS. J17554042+6551277 ein Objekt mit acht scharfen Zacken zu sein. Diese entstehen im Übrigen durch die Beugungsmuster der einzelnen Spiegel. Dem Team ging es in erste Linie darum, dass die einzelnen Spiegelsegmente den Stern in einen Punkt abbilden, was augenscheinlich bestens gelungen ist. Doch diesmal liegt die Überraschung allein im Hintergrund. Schaut man genau hin, sieht man im fernen Hintergrund neben einigen wenigen Sternen (erkennbar an den Beugungsmustern) etliche bisher unbekannte Galaxien mit den verschiedenartigsten Formen und Ausdehnungen: http://www.starobserver.org/2022/03/19/
Die Erwartungen der Astronomen sind somit schon vor dem offiziellen „First Light“ mehr als übertroffen, denn was für großartige Bilder wird das neue Weltraumteleskop in der Zukunft erst liefern, wenn es auf spezielle Himmelsobjekte ausgerichtet wird. Auf jeden Fall wird es unseren Blick in die weiten Fernen des Kosmos entscheidend schärfen.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt